Haften Verwaltungsräte und Geschäftsführer auch bei fahrlässigen Pflichtverletzungen?
Verwaltungsräte und alle mit der Geschäftsführung befassten Personen sind sowohl gegenüber der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen. Dasselbe gilt grundsätzlich für die Geschäftsführer einer GmbH.
Pflichten der Geschäftsführung
Das Gesetz enthält keinen Pflichtenkatalog für geschäftsführende Personen oder Verwaltungsratsmitglieder. Geschäftsführende Personen sind aber zur sorgfältigen Ausübung ihrer Tätigkeit verpflichtet und haben gegenüber der Gesellschaft eine Treuepflicht.
Geschäftsführer und Verwaltungsräte müssen sich so verhalten, wie es aus objektiver Perspektive von einer Person in ihrer Position und mit ihren Fähigkeiten erwartet werden kann. Die Treuepflicht umfasst insbesondere eine Geheimhaltungs- und Schweigepflicht, ein Konkurrenzverbot sowie das Verbot von Insichgeschäften. Im Falle von Interessenkonflikten muss ein Geschäftsführer den Interessen der von ihm vertretenen Gesellschaft den Vorrang geben.
Nach der Business Judgment Rule wenden die Gerichte bei der Beurteilung von Geschäftsentscheiden Zurückhaltung an. Einzelne Fehlentscheide, die zu Verlusten führen, sind nicht per se pflichtwidrig.
Sie gehören grundsätzlich zu einer marktwirtschaftlichen Geschäftstätigkeit, solange dabei vertretbare Risiken eingegangen werden.
Haftung für verursachten Schaden
Pflichtverletzungen durch geschäftsführende Personen führen nur dann zu einer Haftung, wenn dadurch ein Schaden im rechtlichen Sinne verursacht wird. Der Schaden bemisst sich nach der Verminderung des Vermögens der betroffenen Gesellschaft. Hätte sie ohne die Pflichtverletzung mehr Vermögen oder weniger Schulden, so liegt ein Schaden vor.
Die klagende Partei muss den Schaden beziffern und beweisen, was in der Praxis sehr schwierig sein kann. Insbesondere dann, wenn mögliche Kläger nur wenige Informationen über die internen Verhältnisse des Unternehmens haben.
Neben der Gesellschaft kann jeder einzelne Aktionär den Schaden gegenüber einzelnen oder mehreren Geschäftsführern oder Verwaltungsräten einklagen, wobei der Anspruch von Aktionären grundsätzlich auf Leistung an die Gesellschaft geht. Eine Ausnahme besteht dann, wenn Aktionäre durch pflichtwidrige Handlungen von Geschäftsführern unmittelbar geschädigt werden. Wird über die geschädigte Gesellschaft der Konkurs eröffnet, sind auch Gesellschaftsgläubiger zur Klage berechtigt.
Laut Bundesgericht reicht bereits leichte Fahrlässigkeit
Geschäftsführende Personen haften nur, soweit sie ein Verschulden trifft. Das Verschulden ist objektiv zu beurteilen, das heiss nach dem, was dem Geschäftsführer unter den konkreten Umständen vernünftigerweise zugemutet werden konnte. Erfasst wird sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Handeln. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Schädigung unter den konkreten Umständen für den Geschäftsführer voraussehbar war, die verantwortliche Person also die Gefahr der Schädigung hätte sehen sollen. Leichte Fahrlässigkeit genügt gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts für eine Haftung.
Nur bei Vorliegen aussergewöhnlicher Umstände ist von einer unverschuldeten Pflichtverletzung auszugehen.
Kein Verschulden liegt beispielsweise bei einem unvermeidbaren Irrtum oder einer Täuschung durch Dritte vor. Wäre dem Geschäftsführer jedoch zuzumuten gewesen, die Täuschung zu erkennen, haftet er trotzdem (BGer 4A_344/2020, 4A_342/2020 vom 29.06.2021).